HealthTechs #3: Mentale Gesundheit

Im dritten Teil unserer Reihe zu HealthTechs widmet sich Marleen Heimann dem Thema Mentaler Gesundheit und stellt digitale Lösungen und innovative Produkte vor.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Digital Health
Themen:
Digital Health HealthTech
HealthTechs #3: Mentale Gesundheit

Als sie im Dezember das erste Mal Schnee vom Himmel hat fallen sehen, das Thermometer Minusgrade angezeigt hat und sie nach Daunenmantel und Stiefeln griff, war klar – der Winter ist da. Louisa zieht Mütze und Schal über und macht sich langsam, noch in der Morgendämmerung, auf ins Büro. Seit Anfang Oktober ist die Doktorandin auch wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Chemie-Fakultät. Obwohl ihre Doktorarbeit 25 bis 30 Stunden in der Woche schluckt, muss sie noch 20 Stunden die Woche Seminare vor- und nachbereiten, Professor:innen zuarbeiten, Klausuren korrigieren. Denn ihr Erspartes wird sie die nächsten Jahre kaum über Wasser halten. Ständiger Leistungsdruck, Stress, privater Kummer und Erfolgsdruck haben bei Louisa vor allem zu einem geführt: Depressionen.

Volkskrankheit Depression

Zu den typischen Symptomen einer Depression gehören neben gedrückter Stimmung, Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Schuld- und Minderwertigkeitsgefühlen oder sogar suizidalen Gedanken auch körperliche Beschwerden wie Appetitmangel, Schlafstörungen, Magen-, Kopf- oder Rückenschmerzen. Grund für verstärkte psychischen Probleme in den Wintermonaten ist der veränderte Hormonhaushalt aufgrund der Reduktion von Sonnenstunden. Besonders für Menschen, die bereits bei sonnigeren Zeiten mit mentalen Herausforderungen kämpften, kann die herbstliche Dunkelheit zu einer drastischen Verschlimmerung ihrer Symptome führen. Wer nun nach psychologischer Beratung sucht, muss oft feststellen, dass alle Anlaufstellen überfüllt sind und die Wartezeiten oft Monate dauern.

Laut Zahlen der Deutschen Depressionshilfe[1] leidet jeder fünfte bis sechste Erwachsene im Leben einmal an Depressionen. Im Laufe eines Jahres erkranken 5,3 Millionen Erwachsene, oder 8,2 Prozent der deutschen Bevölkerung zwischen 18 und 79 Jahren, an einer depressiven Störung. Dabei sind Frauen mit derzeit etwa 11,3 Prozent mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer, von denen zurzeit etwa 5,1 Prozent erkrankt sind. Dies kann auch daran liegen, dass sich Frauen tendenziell häufiger Hilfe suchen.

Das Problem: die insbesondere durch fehlende Therapieplätze entstandene deutschlandweite Versorgungslücke im Bereich Psychotherapie. Es fehlt an Therapieplätzen, die von Krankenkassen übernommen werden, sogenannten Kassensitzen. Und das, obwohl die Arbeitsausfälle aufgrund psychischer Erkrankungen im Jahr 2021 einen Höchststand erreicht hat, unter anderem durch die während der Pandemie gestiegene Zahl an psychischen Leiden innerhalb der Bevölkerung. Über die Menge an Kassensitzen entscheidet der G-BA, der Gemeinsame Bundesausschuss, der sich aus Vertreter:innen der Ärzteschaft, der gesetzlichen Krankenversicherungen sowie von Patientenseite zusammensetzt. 2018 kam ein Gutachten des G-BA zu dem Schluss, dass über 2400 Kassensitze in Deutschland fehlen; nur knapp 800 wurden im Sommer 2019 in Auftrag gegeben.

Digitale Lösungen gegen den Therapieplatzmangel

Was bereits jetzt dabei helfen kann, die Versorgungslücke zu schließen: Digitale Lösungen wie Onlinekurse, Therapien oder Sprechstunden, die bereits einige HealthTechs für sich entdeckt haben.

So kann die App des Berliner Start-ups Selfapy bei einer Depression oder einer generalisierten Angst- oder Panikstörung unterstützen. Der dort angebotene 12-wöchige Onlinekurs hilft unserer Protagonistin Louisa dabei, negative Gedankenspiralen zu durchbrechen, Probleme aus anderen Perspektiven zu betrachten und eigene Kraftquellen zu stärken. Dazu muss Louisa sich von einem Arzt oder eine Ärztin eine Diagnose stellen und ein Rezept ausstellen lassen und bei ihrer Krankenkasse einreichen. Diese übernimmt die Kosten und stellt einen Code zum Freischalten des Onlinekurses aus. Ein Team aus Psycholog:innen steht Louisa auf Wunsch schriftlich oder telefonisch zur Seite, damit sie zum Beispiel Herausforderungen besser verstehen und die Kursinhalte optimal in ihren Alltag integrieren kann.

Auch die App HelloBetter setzt bei konkreten Symptomen an. Die App auf Rezept kann unter anderem bei Stress und Burnout, chronischem Schmerz sowie Angst- und Panikattacken helfen. Als zugelassene digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) wird auch HelloBetter von privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen. Die auf die Symptome der Nutzer:innen zugeschnittenen, 12-wöchtigen Kurse setzten auf unterschiedliche Methoden wie multimediale Inhalte, Übungen und persönliche Gespräche mit Psychotherapeut:innen.

Einen anderen Ansatz nimmt die Online-Plattform Nilo.health, die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz in den Fokus und damit aus dem privaten auch in den beruflichen Kontext rückt. Nilo.health kann von Unternehmen gebucht werden und bietet 1:1 Sitzungen mit Psycholog:innen, Gruppenworkshops mit Coaches und Trainer:innen, Meditationen und selbstgeführte Programme an. Die Nutzer:innen und Teamleiter:innen bekommen Analysen und Insights zur eigenen und zur Entwicklung ihres Teams sowie individuell abgepasste Programm-Empfehlungen. Das Berliner Start-up verspricht, so die Resilienz der Mitarbeitenden sowie deren mentales Wohlbefinden zu stärken und präventiv gegen mentale Krankheiten, Burn-out und Depressionen vorzugehen. Auch bei konkreten Symptomen wie Angstzuständen oder Schlaflosigkeit kann Nilo.health unterstützen. So kann nicht nur die Unternehmenskultur verbessert und die Produktivität und Zusammenarbeit der Teams gesteigert werden, auch die Krankheitstage der Mitarbeitenden können potenziell vermindert werden.

Ganzheitlich zum mentalen Wohlbefinden

Herbert arbeitet in einem Büro und sitzt acht Stunden am Tag am Schreibtisch. Wenig Bewegung, kaum Sonnenlicht und frische Luft und eine einseitige Ernährung tragen nicht gerade zu seinem mentalen Wohlbefinden bei. Seitdem er sich im Sommer beim Fußball den Rücken verdreht hat, bleibt auch der Sport eher links liegen. Die dunkle Jahreszeit lässt sich auf Herberts Gemüt nieder: Seit einigen Wochen hat er Schlafprobleme, kann sich am Schreibtisch kaum noch konzentrieren, und schweift in Meetings mental ab. Vor allem aber nachts macht ihm sein Geisteszustand zu schaffen: Schläft er endlich ein, dann erst nach stundenlangem hin- und her wälzen und nach hunderten nicht ausgesprochenen Gedanken.

Doch auch Herbert können digitale Anwendungen Abhilfe verschaffen. Apps und Online-Plattformen wie Somnio und Meditopia bieten ganzheitliche Behandlungsmethoden, die Geist und Psyche ebenso berücksichtigen wie den Organismus.

Somnio ist eine zugelassene DiGA, die sich auf die Behandlung von Ein- und Durchschlafstörungen spezialisiert hat. Sie wurde von der 2014 in Zürich gegründeten Mementor GmbH entwickelt. Durch die Einordnung der eigenen Schlafprobleme, Entspannungstechniken und Tipps zum Umgang mit kreisenden Gedanken und Grübeln kann die Schlafzeit verbessert und die eigene Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit für den Tag gesteigert werden. Das digitale Schlaftraining verspricht eine Symptomreduktion von 50 Prozent, eine um durchschnittlich 18 Minuten verkürzte Einschlafdauer und einen mindestens 12 Monate andauernden Effekt und beruft sich dabei auf eine 2019 von der Uni Zürich durchgeführte Studie.

Mit Meditationen, Achtsamkeits- und Schlafübungen, Musik, Klängen und Schlafgeschichten verspricht auch Meditopia eine schnelle und dauerhafte Abhilfe bei Stress und Schlafstörungen. Insbesondere sollen sich Nutzer:innen Achtsamkeit im Alltag antrainieren: Durch einen Zustand bewusster Geistesgegenwart, kann der alltägliche Stress und Trubel besser akzeptiert werden. Dadurch kann Achtsamkeit dabei helfen, die eigenen Gedanken und Gefühle besser kennenzulernen, und Zufriedenheits- und Glücksgefühle schaffen. Ähnlich wie Nilo.health bietet Meditopia Unternehmen die Möglichkeit, die Plattform für den Arbeitsplatz zu buchen, um den eigenen Mitarbeitenden Unterstützung für die mentale Gesundheit zur Verfügung zu stellen.

Für Louisa und Herbert bedeutet das: Statt einem halben Jahr müssen sie nur bis zum nächsten Arzttermin warten und können mit dem Rezept sofort in die Behandlung ihrer Symptome starten. Ihre jeweiligen Kurse, Sitzungen oder Trainingseinheiten können sie sich flexibel einteilen und überall abrufen, damit sind sie nicht an Zeiten, Orte oder Strukturen gebunden. So bekommt Louisa auch neben ihrer 50-Stunden-Woche Unterstützung und Herbert hat genug Zeit, um sich nebenbei auf eine gesündere Ernährung und mehr Sport und Bewegung zu konzentrieren.

[1] Häufigkeit Depression – Stiftung Deutsche Depressionshilfe (deutsche-depressionshilfe.de)

Lust auf noch mehr HealthTechs?

Für eine Übersicht zu den HealthTechs im Dachraum kontaktiert uns einfach.