3 Gründe, warum Frauen weniger gründen

Im Jahr 2022 waren 80 Prozent der Gründer:innen von Start-ups männlich, 20 Prozent weiblich*. Und dafür gibt es einige gute Gründe. Einer jüngst veröffentlichten Studie der Prüfungsgesellschaft EY zufolge lag der Frauenanteil bei allen Start-ups, die 2023 Investitionen erhielten, bei 12,2 Prozent. Nur 1,8 Prozent der Start-ups, die 2023 Finanzierungen von über 50 Millionen Euro bekamen, hatten Frauen im Gründungsteam. Und 87 Prozent des Wagniskapitals, das 2023 an Start-ups in Deutschland ging, ging an ausschließlich von Männern gegründete Unternehmen. Laut Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, liegt das unter anderem an verstaubten Rollenbildern

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Innovation
Themen:
Diversity & Inclusion Entrepreneurship Trends
3 Gründe, warum Frauen weniger gründen

Drei von vier Gründungsteams sind rein männlich.
Jedes zwanzigste rein weiblich. 

1. Tätigkeit in MINT-Fächern 

Zwei von drei Student:innen in den MINT-Fächern – das sind Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – sind männlich. Seit einem Tiefstand von 28,9 Prozent im Jahr 2011 ist der Anteil weiblicher Studienanfänger:innen in MINT-Fächern laut Zahlen des statistischen Bundesamts auf 35,1 Prozent gestiegen. Der geringe Anteil an MINT-Studentinnen spiegelt sich auch in Gründungsbranchen, zeigt das EY Start-up Barometer 2023: Mit 24 Prozent sind Gründerinnen am stärksten in der Gesundheitsbranche vertreten, darauf folgen die Bereiche Recruitment (20 Prozent), AdTech (18 Prozent) und E-Commerce (17 Prozent). 

“Die Expertise und Kreativität von Frauen muss in naturwissenschaftlich-technische Forschungs- und Innovationsprozesse[n] stärker eingebunden werden, wenn wir weiterhin zukunftsfähige Lösungen in Deutschland entwickeln wollen”, sagt die Bundesregierung, und hat sich 2021 die Förderrichtlinie “MissionMINT” auf die Fahne geschrieben, die explizit Frauen in MINT-Fächern und Berufen stärken soll. 

Die IU Internationale Hochschule hat 2022 eine Studie mit dem Namen “MINT-Bildung. Was junge Frauen darüber denken” durchgeführt. Das Ergebnis: Zwar interessieren sich 70 Prozent der befragten Schüler:innen für die Fächer. Aber es fehlt an Motivation, Vorwissen und Vorbereitung. Fast jede zweite findet Schulunterricht in den MINT-Fächern trocken und langweilig, über 42 Prozent finden die Inhalte von ihren Lehrer:innen eher trocken und öde verpackt. Es fehlt an weiblichen Vorbildern. 34,1 Prozent gaben an, keine einzige weibliche Person zu kennen, die in einem MINT-Fach tätig ist. Und auch soziale Gründe spielen eine Rolle: Über 16 Prozent sagen, ihre Freund:innen würden die Wahl eines MINT-Studiengangs nicht verstehen; 11,5 Prozent sagen, sie hätten Angst, dass sich andere über ihre Studienwahl lustig machen. 

Über den Zeitraum zwischen 1978 und 2019 waren insgesamt 13 Prozent der in europäischen Patentanmeldungen genannten Personen weiblich.

2. Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Care Arbeit 

Frauen verbringen pro Woche knapp 30 Stunden mit unbezahlter Care Arbeit, Männer nur etwa 20. Neben der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen gehören insbesondere Arbeiten in Garten und Haushalt dazu. Allein mit dem Bereich Kochen und Einkaufen verbringen Frauen im Schnitt über elfeinhalb Stunden pro Woche, Männer gut 7,5.  

41 Prozent der Gründerinnen und 44 Prozent der Gründer haben mindestens ein Kind; Gründerinnen mit Kind arbeiten wöchentlich im Schnitt etwa 6 Stunden weniger als ohne. Dadurch sind Gründerinnen häufig doppelter Belastung ausgesetzt: Neben dem Weg in die Selbstständigkeit schlucken Küche, Kind und Kegel Kapazitäten, die sonst in die Gründung hätten gesteckt werden können. 51 Prozent der Gründerinnen sind zufrieden mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bei den Männern sind es 61 Prozent. Für 81 Prozent der Gründerinnen und 41 der Gründer ist die Stärkung der Vereinbarkeit von Gründung und Familie ein wichtiger Hebel zur Stärkung des Start-up-Ökosystems.  

Neben der paritätischen Verteilung unbezahlter Care Arbeit müssen auch strukturelle Probleme und bürokratische Hürden abgebaut werden. In Deutschland haben selbstständig erwerbstätige Frauen grundsätzlich keinen Anspruch auf die Zahlung von Mutterschutzgeld, auch die Regelungen des Gesetzes zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium (Mutterschutzgesetz – MuSchG) finden für sie keine Anwendung. Das aktuelle Elterngeld ist nicht auf Selbstständige ausgerichtet und auch Kinderbetreuungskosten können nicht abgesetzt werden, kritisieren der Bundesverband Deutsche Start-ups, der Verband deutscher Unternehmerinnen und der Bundesverband der Freien Berufe in ihrer Initiative “Mehr Diversität in der Wirtschaft durch bessere Vereinbarkeit von Unternehmertum und Familie” von 2022. Der Staat müsse Anreize setzten, die Elternzeit paritätischer aufzuteilen und bürokratische Hürden unter anderem bei der Beantragung des Elterngelds abbauen. 

2022 war jede zwölfte Person, die beim Deutschen Patent- und Markenamt ein Patent angemeldet hat, weiblich. 

3. Finanzierungshürden, oder: Die Gender Investment Gap 

Von jedem Euro, der 2022 in Start-ups investiert wurde, bekamen rein männlich besetzte Gründerteams 87 Cent, 11 Cent gingen an gemischte – und 2 Cent an rein weibliche Teams. Bei gut 5,6 Milliarden Euro investiertem Risikokapital gingen also gut 4,9 Milliarden Euro an Männer. 

Dr. Thomas Prüver, Partner bei EY, sieht bei der Startup-Finanzierung einen massiven Gender Investment Gap mit vielfältigen Gründen. “Zum einen sehen sich Frauen in der Wirtschaftswelt nach wie vor größeren Herausforderungen gegenüber als Männer. Dabei spielen auch im Jahr 2024 noch traditionelle Rollenbilder eine Rolle”, erklärt er. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW, sagte bereits 2021 gegenüber der Zeit: "Bei den Investmentfonds gibt es einen relativ geringen Anteil an Frauen: 17 Prozent. Und wir wissen aus vielen Studien, dass wir Menschen, die ähnliche Charakteristika haben wie wir selbst, eher vertrauen. Deshalb ist in Entscheidungsgremien Diversität wichtig.” Das heißt: Männer geben Jobs eher an Männer, Frauen an Frauen. Und das bestätigen auch Studien: Laut dem Female Founders Monitor 2022 gaben 84 Prozent der Gründerinnen an, bei Investmententscheidungen kritischer hinterfragt zu werden als männliche Kollegen. Auch der Zugang zu Angel-Investor:innen und Venture Capital-Finanzierungen ist mühselig. 2022 hat nur knapp die Hälfte der Frauenteams, die sich einen Business Angel als zentrale:n Investor:in gewünscht haben, auch Finanzierung erhalten; bei Männerteams waren es knapp 80 Prozent. Frauenteams, die eine Finanzierung erhalten haben, sind in 67,9 Prozent der Fälle zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Business Angel oder ihrer:ihrem Venture Capital Investor:in, Männer in 82,4 Prozent der Fälle. Der Female Founders Monitor zeigt außerdem: Während 6 Prozent der Gründerinnen auch als Business Angel aktiv sind, sind es bei den Männern 15,6 Prozent. Es fehlen Vorbilder und Investorinnen. 

Wie können weibliche Start-up-Teams da ansetzten? Mittelbar ist die Einbindung in Netzwerke und Initiativen wohl die vielversprechendste Maßnahme. Gerade Teams bewerten ihre Ökosysteme positiver als Sologründer:innen. Gleichzeitig müssen Frauen in der Investment-Community gestärkt und gefördert werden, um die Finanzierungshürden für Frauen zu senken.  

Auch beim NPN ist der Anteil von Start-ups, die von Frauen gegründet wurden, gering, lässt sich aber nur schätzen. Etwa 10 bis 15 Prozent der Start-ups im Netzwerk haben rein weibliche Gründungsteams. Was wünscht ihr euch von uns, um euch während der Gründung zu motivieren, zu empowern, den Rücken zu stärken?